Wer stirbt, entscheidest du by Lisa Gardner

Wer stirbt, entscheidest du by Lisa Gardner

Autor:Lisa Gardner [Gardner, Lisa]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Tags: Thriller
ISBN: 9783499258602
Google: 5ncBuwAACAAJ
Herausgeber: Rowohlt Taschenbuch Verla
veröffentlicht: 2013-01-31T23:00:00+00:00


Unter «South Bay Shuffle» versteht man bei uns den Transport ins Gefängnis. Die Häftlinge nehmen Platz auf den Bänken zu beiden Seiten des Busses und werden dort miteinander «verbrezelt», das heißt, sie müssen sich beim jeweiligen Nebenmann unterhaken und Handschellen anlegen lassen. In gemischter Gesellschaft sitzen die Frauen auf der einen, die Männer auf der anderen Bank.

Ich saß also mit den fünf Frauen auf der einen Seite, getrennt von den Männern durch eine klare Plexiglasscheibe. Die Wasserstoffblonde neben mir machte während der ganzen Fahrt anzügliche Bewegungen mit der Zunge. Der schwarze Koloss gegenüber, an die hundertfünfzig Kilo schwer und über und über tätowiert, feuerte sie mit unmissverständlichen Gesten an.

Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären übereinander hergefallen. Dumm für sie, dass wir schon nach wenigen Minuten den Knast erreichten.

Der Bus bog in die Verladestation ein. Hinter uns senkte sich ein schweres Metallrollo. Gleich darauf gingen die Fahrzeugtüren auf.

Zuerst stiegen die Männer aus und watschelten aneinandergekettet im Gänsemarsch auf die Schleuse zu. Wenig später waren wir an der Reihe.

Den Bus zu verlassen war gar nicht so leicht im Verbund mit den anderen Frauen. Ein falscher Tritt, und es hätte womöglich alle von den Beinen gerissen. Ich war die einzige Weiße, die zudem neue Kleider trug, und fiel entsprechend auf in der Kette, deren Glieder allesamt aus der Prostitutions- und Drogenszene zu stammen schienen. Die gepflegteren von ihnen arbeiteten wahrscheinlich für Geld, die weniger gepflegten für Stoff.

Man konnte nicht nur sehen, sondern auch riechen, dass sie die ganze Nacht über kein Auge zugemacht hatten.

Interessanterweise nahm die Frau rechts von mir – sie hatte orangefarbene Haare – Anstoß an meiner Duftnote und rümpfte die Nase. Wahrscheinlich roch ich noch nach Krankenhaus. Das Mädchen zu meiner Linken (achtzehn, neunzehn Jahre alt?) kommentierte meinen Anblick mit den Worten: «Süße, wie wär’s, wenn du ihm das nächste Mal einfach die Kohle gibst? Vielleicht nimmt er dich dann weniger hart ran.»

Die Schleuse ging hinter uns zu. Links öffnete sich klappernd eine andere Tür.

Dahinter lag die Zentrale, besetzt von zwei uniformierten Beamten. Ich senkte den Kopf aus Angst, erkannt zu werden.

Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte ging es weiter durch einen langen Korridor, vorbei an schmutzig gelben Mauern aus Gasbetonsteinen. Es roch wie in allen Behörden: nach Schweiß, Putzmitteln und Phlegma.

Schließlich erreichten wir die Sammelstelle, bekannt auch als «dirty hold», einen länglichen Käfig ähnlich dem im Gericht, darin eine harte Bank, eine metallene Kloschüssel und ein Waschbecken. Zwei Telefone. Es könnten nur R-Gespräche geführt werden, sagte man uns. Der Empfänger würde automatisch darauf hingewiesen, dass der Anruf aus dem Gefängnis von Suffolk County komme.

Man nahm uns die Handschellen ab. Der Chef-Schließer ging. Die Metalltür fiel ins Schloss, und das war es fürs Erste.

Ich massierte meine Handgelenke und bemerkte, dass ich die Einzige war, die das tat. Die anderen standen vor den Telefonen Schlange, um irgendjemanden anzurufen, der sie vielleicht herausboxen konnte.

Ich stellte mich nicht an. Ich saß auf der harten Bank und beobachtete die Nutten und Junkies, die im Unterschied zu mir draußen offenbar noch Menschen hatten, auf die sie sich verlassen konnten.



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